Das interessante Urteil: Rechtsprechung kirchliche Arbeitgeber
Der beklagte Arbeitgeber betreibt eine Spielbank und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Der 1955 geborene Arbeitnehmer und Kläger ist dort seit 1980 als Croupier tätig. Er ist mit einem Grad der Behinderung von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Der Gehaltstarifvertrag sieht unterschiedliche Eingruppierungen der Croupiers vor.
Der Fall:
Eine konfessionslose Sozialpädagogin (FH) hatte sich im November 2012 auf eine befristete Referentenstelle beim diakonischen Werk EKD beworben. Es ging bei der Tätigkeit um eine projektweise Berichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention. In der Stellenausschreibung forderte der Arbeitgeber die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder der ACK angehörenden Kirche. Zudem sei die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag Voraussetzung für eine Bewerbung. Diskriminierung nach AGG wegen Konfessionslosigkeit?
Nach einer ersten Bewerbungssichtung war die Sozialpädagogin noch im Auswahlverfahren, wurde dann aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie fühlte sich aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert und klagte vor Gericht deshalb auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens 9.788,65 Euro.
Die Entscheidung:
Kirchliche Selbstbestimmung versus Antidiskriminierungsrichtlinie
Nach Auffassung des Gerichtshofs darf eine konfessionsgebundene Stellenausschreibung nur dann erfolgen, wenn die Konfession für die berufliche Tätigkeit auch "objektiv geboten" und verhältnismäßig ist. Die Abwägung müsse zudem gerichtlich überprüfbar sein. Damit dürfte die momentan gängige Praxis der Kirchen, von jedem Bewerber - unabhängig von der konkreten Tätigkeit - eine Mitgliedschaft in der Kirche zu verlangen, auf Dauer keinen Bestand haben.
Grundsätzlich erkennt auch das Europarecht die Autonomie und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen an. Generell haben Kirchen und religiöse Organisationen also auch nach den EU-Vorgaben das Recht, Stellenbewerber mit Blick auf Religion oder Weltanschauung ungleich zu behandeln.
Entscheidend, sei jedoch dass das Recht auf Selbstbestimmung gegen das berechtigte Interesse eines jeden Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung abgewogen werden müsse, betonten die Richter in ihrer Urteilsbegründung. Dieser dürfe nicht von vorneherein aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen diskriminiert werden, sondern es müsse ein "angemessener Ausgleich" hergestellt werden.
Konfession als Voraussetzung: Gerichtliche Prüfung kirchlicher Entscheidungen
In diesem Zusammenhang kommt der EuGH zu dem Schluss, dass die Entscheidung des kirchlichen Arbeitgebers jeweils im Einzelfall von Gerichten geprüft und gegebenenfalls zurückgewiesen werden kann. Das angerufene Gericht müsse sichergehen, dass die in der Richtlinie genannten Kriterien – für die Abwägung der gegebenenfalls widerstreitenden Rechte – im konkreten Fall herangezogen wurden.
Der Gerichtshof stellt insoweit klar, dass es den staatlichen Gerichten im Regelfall nicht zusteht, über das Ethos als solches zu befinden, das der angeführten beruflichen Anforderung zugrunde liegt. Gleichwohl haben sie festzustellen, ob die drei Kriterien „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ in Anbetracht dieses Ethos im Einzelfall erfüllt sind.
Nach dem Urteil des EuGH muss das BAG nun prüfen, ob die Anforderung der Konfession im speziellen Fall notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche beziehungsweise Organisation aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit objektiv geboten und verhältnismäßig war.
Hinweis: EuGH, Urteil in der Rechtssache C-414/16 Vera Egenberger / Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. vom 17.04.2018. InfoCuria - Rechtsprechung des Gerichts
Fazit:
Die christlichen Kirchen und deren Einrichtungen wie Caritas und Diakonie können sich nicht immer auf das verfassungsmäßig verankerte Kirchen-Sonderrecht berufen, sondern müssen auch prüfen, ob für eine zu besetzende Stelle auch ein konfessionsloser Bewerber/in oder Angehörige/r eine anderen Religion in Frage kommt. Das gebietet das Antidiskriminierungsrecht, unter anderem verankert im europ. Recht, im nationalen AGG und in der Verfassung (GG).
So ohne Weiteres können die Kirchen daher das Einstellungskriterium einer Kirchenmitgliedschaft – unterschiedslos für alle Berufstätigen – nicht bindend festlegen.
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Quelle: Haufe